Kürzere Arbeitszeiten? Finnisch gut.
Mehr Freizeit für alle: Fake News aus Finnland fachen die Diskussion um kürzere Arbeitszeitmodelle neu an
Sanna Marin ist Regierungschefin von Finnland. Anfang Januar 2020 schwappte eine mediale Riesenwelle durch die Welt: Als jüngste Ministerpräsidentin der Welt plane sie die flächendeckende Einführung der 4-Tage-Woche bei 6 Stunden Arbeitszeit für ihr Land.
Etablierte Medien berichteten, Arbeitnehmer auf der ganzen Welt twitterten ihre Begeisterung darüber. Fakt ist: Stimmt so nicht. Aber das Thema ist nicht neu. Beispiele für erfolgreiche, verkürzte Arbeitszeitmodelle sind längst etabliert.
Der Wunsch nach mehr Freizeit explodiert
Vier-Tage-Woche, überlange Wochenenden, kürzere Arbeitstage – der Wunsch nach mehr Freizeit ist Trend in Deutschland. Eine Analyse zum Suchverhalten der deutschen Internetnutzer nach dem Begriff „4 Tage Woche“ belegt das eindrucksvoll. Zwischen 12/2016 und 11/2019 ist die Häufigkeit dieses eingetippten Suchbegriffs um mehr als 600% gestiegen (Quelle: Semrush Software)
Die Diskussion zum Thema zieht sich quer durch alle Altersschichten und sie läuft nicht erst seit gestern. Schon 2018 gaben rund die Hälfte aller befragten werktätigen Männer sowie 40 Prozent der Frauen im Rahmen einer Studie an: „Ich würde meine Arbeitszeit gern um mindestens zweieinhalb Stunden in der Woche reduzieren.“
(Quelle: IAB Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung)
Diverse Angebote sind längst Praxis
Tarifverträge mit Wahloptionen zwischen mehr Geld oder mehr Freizeit – etwa bei der Deutschen Bahn – ermöglichen Arbeitnehmern, Präferenzen individuell zu setzen. Die gute Annahme solcher Angebote hat tatsächlich auch gezeigt, dass sich Mitarbeiter quer durch die Altersgruppen für mehr Freizeit statt mehr Geld entschieden.
Ob 4-Tage-Woche, Jobsharing, Teilzeit – die Möglichkeiten sind mittlerweile vielfältig. Jeder sollte checken, in welche Richtung es für ihn gehen könnte. Das gilt für Arbeitnehmer wie für Unternehmer.
Visionäre Unternehmer sind am konsequentesten
„Zeit ist das einzige, was der Mensch nicht kaufen kann.“ In der Digitalagentur des Unternehmers Lasse Rheingans ist diese Erkenntnis zum Beispiel angekommen. Mit dem Ergebnis, dass der Unternehmer den Arbeitstag seiner 16 Mitarbeiter konsequent um 13 Uhr enden lässt, bei vollem Lohnausgleich.
Das Konzept stehe in erster Linie „auch für eine ausgeglichene Balance, Gesundheit, Zufriedenheit und Chancengleichheit“ innerhalb seiner Crew, schildert er in seinem Buch „Die 5 Stunden Revolution. Wer Erfolg will, muss Arbeit neu denken.“ Und er hat Erfolg damit.
Der Bundesverband der Personalmanager dagegen tritt etwas auf die Euphorie-Bremse. Zum Beispiel in der F.A.Z. „Eine pauschale Verkürzung, beispielsweise auf die Vier-Tage-Woche, wäre angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sowie des Fachkräftemangels und der damit einhergehenden Arbeitsverdichtung alles andere als zielführend“, gibt ihr stellvertretender Verbandspräsident Frank Kohl-Boas dort zu bedenken.
„Unser Arbeitssystem lässt sich nur umgestalten, wenn wir flexible Arbeitsmöglichkeiten entlang der Lebensplanung- und -erwartung jedes einzelnen Mitarbeiters schaffen.“
Fazit
Bei unseren Personalsuchen stoßen wir immer häufiger auf die Nachfrage zum Thema Überstundenausgleich, Home Office Optionen oder Flexibilität in der Arbeitszeitgestaltung. Solche Optionen lassen sich gerade bei kleineren Unternehmen sicherlich deutlich einfacher und auch individueller umsetzen als in größeren Konzernen, in denen diese Veränderung größere Prozesse nach sich ziehen. Diese Nachfragen potentieller Kandidaten zu den ausgeschriebenen Positionen werden durch mannigfaltige persönliche Gegebenheiten ausgelöst. Entweder die gerade entstandene neue kleine Familie, der überstandene Burnout, der Wiedereinstieg ins Berufsleben nach einer familiären Auszeit oder ganz einfach auch der Wunsch nach einer geregelten Freizeit, die in den vergangenen Jahren durch die laufende Reduzierung der Wochenarbeitszeiten immer größer geworden ist. Jedoch nicht in allen Bereichen und allen Branchen. In vielen herrscht ein großer Fachkräftemangel, so dass man diesem Wunsch nach einer Reduzierung der Arbeitszeiten nur schwerlich nachkommen kann. Die Lösung liegt wie immer in der goldenen Mitte und fordert von den Unternehmen in Zukunft ein klares Umdenken und eine höhere Flexibilität.